Gelegen zwischen der Tallinner Altstadt, dem Hafen und dem Viru Platz befindet sich das historische Stadtviertel Rotermann. Christian Barthold Rotermann – neben seinem Vater, einem Hutmacher, der Namensgeber des Quartiers – errichtete einst auf dem zentralen Platz einen Salzspeicher und wurde dadurch einer der einflussreichsten estnische Industriellen während der Jahrhundertwende um 1900.
In der weiteren Zeit wurden dort zusätzliche Speicher, ein Kaufhaus, diverse Lebensmittelfabriken sowie Produktionshallen gebaut und das Rotermann-Viertel wurde zu einem wichtigen Handelsplatz in Tallinn. Bedingt durch die Weltkriege und der darauf folgenden Sowjetherrschaft verrottete das Industrie-Viertel zunehmend – der russische Filmemacher Andrei Tarkovsky hat auf dem Gelände u.a. seinen Science Fiction-Film Stalker gedreht – und so kam Anfang der 1990er Jahre die Idee auf, die alten Fabrikanlagen neu zu nutzen, statt sie verfallen zu lassen oder gar einfach abzureißen.
Die steinernen Bauten aus dem Industriezeitalter wurden angereichert durch moderne, neue architektonische Wunderwerke aus Stahl, Glas und Backstein. Eine wahre Spielwiese für Architekten, die sich trotz strenger Auflagen – das Viertel steht unter Denkmalschutz und es darf nicht höher als 24 Meter gebaut werden – wunderbar austoben dürfen.
Unnützes Partywissen am Ende: Das erste Autohaus Estlands stand auf diesem Gelände.
Lustwandelt man durch Tallinn, trifft man entweder auf prachtvolle Hanse-Architektur in der Altstadt, moderne Stahl-Glas-Konstruktionen im Rotermann-Viertel oder osteuropäisch-russische Holzhäuser. Umso mehr als innerstädtischer Fremdkörper wirkt da die am Hafen gelegene Linnahall; auch wenn sie bewusst dezent gestaltet wurde, um den Blick auf die Tallinner Altstadt von der Meeresseite aus zu erhalten – schließlich fanden zu ihrer Errichtung 1980 die olympischen Segelwettbewerbe in der estnischen Hauptstadt statt.
Wie dem auch sei: Das zunehmend verfallene Gebäude ist ein toller Ort, kurz innezuhalten, den Blick auf die Ostsee schweifen zu lassen und die Stadt hinter sich zu lassen. Schließlich liegt keine 80 Kilometer entfernt die finnische Hauptstadt Helsinki.