„Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner Selbstvergessenheit. Mir geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich scheine mir ein ganz anderer Mensch.“ — So beschrieb es einst schon Herr Goethe auf seiner Italienreise, wo er 1787 in der süditalienischen Stadt Halt machte. 231 Jahre später wollte ich es ihm gleichtun. Goethe hatte damals keine Billigflieger zur Verfügung. Es kann also mit Fug und Recht behauptet werden, dass ich einen klaren Zeitvorteil ihm gegenüber hatte: Goethe blieb schließlich auch 13 Tage in der Stadt und ich nur 5.
J’étais en Toulouse le dernier semaine. Und es fing verheißungsvoll an: Strammen Schrittes ging ich morgens zur S-Bahn, die mich zum Flughafen fahren sollte. Anschlussticket: Fehlanzeige. Nachgelöst. Handgepäckaufgabe: Sprengstoffkontrolle. Bestanden. Final Call: Tel Aviv. Noch nicht von Relevanz. Also wurde der Flieger bestiegen und es ging mit den Premiumplätzen 31 Eff gen Südwesten. Prochaine arrêt: Toulouse.
Was würde geschehen in einem Land, dessen Sprache du nicht sprichst, weil du sie noch nicht mal lesen kannst? In einem Land, das vom Rest der EU abgeschnitten ist, in der Außenwirkung von Krisen, Korruption und Kälte geprägt ist. Wo es kein bequemes EU-Roaming gibt, um mal schnell auf Google Maps den aktuellen Standort oder Restauranttipps zu checken. Versuch macht kluch, also buchte ich den Fluch Flug! Off to Kiev. Das Abenteuer begann.
Im März verbrachte ich ein paar Tage in Sofia. Und was soll ich sagen? Ich hatte selten Städte, in denen ich auch danach nicht weiß, was ich von ihnen halten soll. Sofia ist so eine. Einerseits eine wahre Perle Südosteuropas, rauh und mit dem positiven Charme des ehemaligen Ostblocks. Breite Magistralen, üppige Grünanlagen, kein aus seiner langen Geschichte gewachsenes Zentrum. Andererseits mondän, bemüht herausgeputzt und mit den üblichen Manieren westlicher Kulturen. Dazu so weltoffen, dass es sich ein Viertel der Religionen, das sogenannte “Dreieck der Toleranz” leistet: In unmittelbarer Nähe der Kirche Hl. Nedelja schließt sich die Banja-Baschi-Moschee an, die wiederum von der Sofioter Synagoge – die nach den Synagogen in Budapest und Amsterdam der drittgrößte jüdische Sakralbau Europas ist – flankiert wird. Wundervoll. Ein Vorbild für den Rest der Welt.
Ankunft in Manchester. Es ist 7:00 Uhr morgens und die endlos langen Gänge am Flughafen spucken mich nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle in der Stadt aus. Ich zücke mein Telefon, um mir ein Ticket mit dem Zug in die City zu buchen. Bin ich richtig Richtung Liverpool, denn eigentlich möchte ich doch nach Manchester? Vorbei an den schnuckligen Vorstädten mit Backsteinreinhenhäusern, die Silhouette der Stadt immer näher rückend irgendwann die Ankunft am Bahnhof Piccadilly. Ein Hauch britischer Bahnhofsbaukunst weht mir entgegen und ich laufe einfach dorthin, wo das Schild ins City Centre zeigt. Das Vorhaben hielt nicht lang an, denn bereits auf dem Vorplatz tat sich ein wunderbares Ensemble auf, was ich näher erkunden wollte. Erster Umweg.
Ich verbrachte diese Woche ein paar Tage in Marseille. Und was hat man nicht schon alles von dieser Stadt gehört: “Klein-Paris”, “Perle des Mittelmeers”, “Schmelztiegel der Kulturen”. Also buchte ich einen günstigen Flug und eine zentral gelegene Airbnb-Wohnung wenige Minuten entfernt von dem zentralen Ort, dem Vieux Port. Da ich mich traditionsgemäß wenig auf die Orte vorbereite, die ich besuche, ging es also gleich nach der Ankunft auf Erkundungstour, bei 35° Celsius – es konnte schließlich niemand ahnen, dass es im Sommer an der Mittelmeerküste warm würde.
Nach etwa zwei Stunden machte sich eine erste Ernüchterung breit: Wo ist denn diese Perle? Und wo ist denn diese typische Mittelmeeratmosphäre mit Fischern, lauschigen Bars und der Flaniermeile am Wasser? Vielmehr fand ich gehetzte Menschen, leere Cafés und Sicherheitspersonal in martialischen Outfits und Maschinengewehren vor. Ich war offenbar in einem anderen Marseille gelandet, als es landläufig kolportiert wird.
Warum ich nie so richtig warm mit dieser Stadt wurde und was sie dennoch äußerst reizvoll macht, möchte ich kurz schildern.
Unweit der Altstadt und noch unweiter der Markthallen streckt sich ein vertrautes Gebäude in den Himmel empor. Doch halt, wir sind hier weder in Moskau noch in Warschau. Auch Riga besitzt einen sog. „Stalinfinger“, nur in klein.
Auf 108 Metern beherbergt das Hochhaus der Wissenschaftsakademie die Lettische Akademie der Wissenschaften sowie Sendeanlagen. Für einen schmalen Taler fährt man bis zum 14. Stockwerk, erklimmt zwei weitere Etagen treppauf und wird – je nach Wetter – mit einem fantastischen Blick über Riga belohnt. Je nach Wetter wohlgemerkt.