„HaShalom“ – „WAS? Ich kann dich nicht verstehen.“

Lesedauer: etwa 5 Minuten

„Und so wie New York das Tor nach Amerika symbolisiert, so müssen wir unsere Stadt entwickeln und eines Tages wird sie das New York von Erez Israel sein.“

Dies schrieb Akiva Weiss im Jahre 1906, einer der Gründerväter Tel Avivs, drei Jahre bevor das erste Haus errichtet wurde. Von der Vielfalt und Einzigartigkeit der Stadt konnte ich mich heute erneut überzeugen.

Ohne festes Ziel verließ ich gegen Mittag das Haus, schlenderte über den Markt und ließ mich einfach treiben. Dort eine kleine Köstlichkeit, da einen Faden Halva und noch eine Süßware aus dem Hause Baklava. Und schon stand ich auf dem Rothschild Boulevard. „Nun, wenn du schon mal da bist, kannst du den auch entlang laufen“, dachte ich mir und schritt hinfort. Vorbei an den prächtigen und weniger prächtigen Bauhaus-Häusern (sagt man eigentlich Bauhaus-Häuser oder Bauhäuser oder besser noch Bauhaus-Bauwerke?), ehe ich am Habima Platz angekommen war – ein eigentlich schnuckliges Kleinod, denn im Grunde nur vor einer befahrenen Seite flankiert.

Bauhaus
Habima Square

Also dachte sich der pfiffige Tel Avivi, dort eine Aufenthaltsmöglichkeit zu schaffen, dieser einen Baum zu gönnen, eine Skulptur, eine kleine Wasserfläche und einen in den Platz eingelassenen Park. Aber sonst – nichts außer Betonplatten. Aus der klassische Musik dringt! Also saß ich da für einen Moment, vergaß alles um mich herum und lauschte Itzhak Perlmans Zigeunerweisen mit rauschendem Hintergrundgeräusch der Stadt.

Dort sitzend erspähte ich das Areal um den Sarona Tower. Erinnerungen kamen hoch und ich wollte der vergleichsweisen Ruhe nun ein wenig Abwechslung gönnen. Also hinein in den Großstadtdschungel und ins belebte Hochhausviertel rund um die Ayalon Road. Beim letzten Mal wurde ich irgendwie gefangen genommen von der hinzuführenden Kaplan Street, so dass ich gar keine Augen für das Viertel Sarona auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte. Dies sollte sich nun ändern.

Denn auf einmal stand ich mittendrin, zwischen einer der meistbefahrenen Straßen der Stadt und einem stillen Fleckchen im Schatten der Wolkenkratzer. Niedliche zweistöckige Häuser aus der Templerzeit bildeten mit gepflegten Rasenflächen ein wunderbares Kontrastprogramm zum angrenzenden Gebäll der Autos. Nach dem zweiten Weltkrieg begannen dort die Anfänge der israelischen Luftwaffe und es wurden – so sagt man – die ersten Militärflugzeuge aus geschmuggelten Einzelteilen zusammengebaut. Zudem wird gemutmaßt, dass der israelische Geheimdienst dort eine Außenstelle hat. Würde mich jedenfalls nicht wundern, denn auf der gegenüberliegenden Seite der Kaplan Street befinden sich zudem streng bewachte Militärgebäude. Und mit Leuchtreklame ausgestattete Kräne. Krähsy.

Sarona
Sarona
Sarona
Kräne mit Leuchtwerbung

Genug mit der Beschaulichkeit

Wer mich kennt, weiß, dass ich mit Beschaulichkeit nicht lange umhin kann. Von weitem hörte ich schon das Rauschen der Autobahn, das Gehupe und schon war ich mittendrin. Sechsspurige Fahrbahnen, wilde Kreuzungen und der Menschenmasse folgend bahnte ich mir einen Weg über die Straßen, ehe ich dann irgendwann an der HaShalom Station, einer der verkehrsreichsten Bahnhöfe Israels, angekommen war und einen Blick über die Ayalon Road werfen konnte.

Ayalon
Ayalon
Ayalon
Ayalon Road
Ayalon

Wow! Hatte ich sie gestern von der Einfahrt in die Stadt gesehen, war ich nun im Epizentrum des motorisierten Individualverkehrs angekommen. Ein unwirtlicher Ort, voller Lärm, voller Staub, voller Chaos. Inmitten von Hochhausschluchten, Blech, umherhetzenden Menschen. Und mir. Der sich vorkam wie das einzige Wesen, der es gerade mag, an diesem Ort zu sein.

Angrenzend an die HaShalom Station ragt das Azrieli Center empor, bestehend aus einem runden, einem dreieckigen und einem quadratischen Turm. Ich las, dass dort der höchste Aussichtspunkt des Mittleren Ostens ist, also ging ich durch die in den Erdgeschossen befindliche Shopping Mall hinein. Natürlich nicht, ohne meine Tasche eines mehr oder weniger ausgiebigen Checks unterziehen zu lassen. In der vierten Etage war dann Schluss. Der Eingang zum Fahrstuhl des Observation Decks hatte geschlossen. Also nahm ich Vorlieb mit der nebenan befindlichen Terrasse und konnte von dort ebenfalls einen Blick durch dreckige Scheiben auf das sich unter mir befindliche Chaos werfen.

Azrieli Tower
Azrieli Tower
Azrieli Tower

Es dämmerte allmählich und diesmal wollte ich am Strand den Sonnenuntergang nicht verpassen. Also nahm ich die Beine in die Hand, verlief mich auf dem Weg aus dem Azrieli Tower, stand irgendwann in einer Lieferanteneinfahrt, durfte mir unverständliche hebräische Flüche von Schrankenwärtern anhören und war dann irgendwann frei.

Routiniert nahm ich instinktiv die schnellste Route, durchlief die Bograshov Street und stellte fest, dass sich dort wohl eine französische Kommune angesiedelt hat. Jedenfalls waren die Straßen gesäumt mit Patisserien, kleinen Cafés und schöner französischer Ware. Da muss ich wohl nochmal hin – denn ich hatte keine Zeit zu verlieren und war schließlich 10 Minuten vor Sonnenuntergang am Strand. Ich alter Romantiker.

Bauhaus
Sonnenuntergang

Morgen wollte ich eigentlich nach Jerusalem fahren, aber irgendwie habe ich dazu gar keine Lust. Hier gibt es noch so viel zu entdecken, wie ich heute wieder festgestellt habe. Und da die Kzizeria immer noch nicht geöffnet hat, bin ich trotzig zur Konkurrenz gegangen und habe mir soeben einen Falafel geholt. So!

3 Comments

  1. hippe 13. November 2019

    Recht hast Du gestern gehabt… ich glaube, die Hektik und die riesigen Hochhäuser sind nichts für mich und meine Nerven. Aber ich denke, dass man, wenn man dort ist, solche Dinge auch gesehen haben muss. Schließlich gehören sie zu Tel Aviv dazu wie in jeder anderen Großstadt.
    Auf alles Fälle hast Du wieder tolle abstrakte Fotos geschossen, die es würdig wären, an der Wand verweigt zu werden..

    Schade @ Kzizeria

    lg die hippe

  2. Olaf 13. November 2019

    Der alte Romantiker hat den Sonnenuntergang doch nicht verpaßt.
    Doch heute wurde die Großstadt auf ganz andere Art entdeckt, ob positiv in Erinnerung, sei Dir überlassen. Doch auch dieses muß man sicher erlebt und gesehen haben, auch wenn man sich treiben läßt.
    Doch sicher wieder ein schönes Erlebnis.

  3. Olaf 13. November 2019

    Ach, was hat die Stadt auch für eine andere Seite… die man aber auch gesehen haben muß, Verkehr, Hochhäuser…
    Doch der Romantiker war zur rechten Zeit am Ort, den er am Liebsten mocht in diesem Lande und konnte die Erfahrungen vom Tage dort Revue passieren lassen.
    Erneut ein sehr intressanter Tagesreport mit aussagekräftigen Bildern und Tönen untermalt und gestaltet.
    Vielen Dank für solche Eindrücke.

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