Es kommt nicht von ungefähr, dass Israel schnell mal mit Isreal auf der Tastatur verrutscht. Zufall oder nicht?
So ganz von der Hand weisen lässt sich dies nicht, denn der Israeli ist sehr real, sehr echt. Er erscheint ruppig. In der Lautstärke, in der er sich unterhält, in der Phonetik der Sprache, die er spricht, in den ausladenden Gesten, die er macht, in der Körpersprache, in der er kommuniziert. Immer schwingt etwas latent Rabiates für das sensible mitteleuropäische Gemüt mit.
Der Tag begann turbulent. War ich sonst immer so gegen 6:30 Uhr wach, riss mich um 8:00 Uhr Sirenengeheul aus dem Bett. Eine unmittelbare Bedrohung lag über der Stadt und das Signal bedeutete, dass sich die Bevölkerung in nahegelegene Sicherheitszonen begeben soll. Oder zumindest nicht das Haus verlassen. Dies kannte ich bereits von meinem ersten Aufenthalt und nachdem nach etwa 5 Minuten die Sirene erlosch, hörte ich zwei dumpfe Geräusche, ähnlich dessen, wenn jemand eine Autotür zuschlägt: Entweder gab es irgendwo einen Einschlag oder der Iron Dome hatte ganze Arbeit geleistet.
9 Monate ist es her, dass ich das gelobte Land verließ. Umso gespannter war ich, ob und was sich seitdem verändert hat, schließlich gab es mittlerweile den Eurovision Song Contest, der auch schon vor meiner Abreise im Stadtbild Einfluß nahm.
Augenscheinlichste Veränderung ist, dass sich nichts geändert hat. Wieso auch, was soll sich in einem dreiviertel Jahr auch tun – erst recht im „Komm ich heut nicht, komm ich morgen“-Tel Aviv. So sieht der Rohbau neben meinem Haus noch genauso aus, wie ich ihn verließ. Die gefürchtete Baugrube, die irgendwann den Meerblick meiner Terrasse versperrt, ist immer noch genauso tief. Selbst die „Business Punk“, die ich im März hinterließ, liegt noch im gleichen Zeitschriftenstapel zwischen der damals schon vorhandenen „11 Freunde“ und diversen israelischen Klatschblättern. Und auch meine innere Uhr änderte sich nicht – denn wie beim ersten Mal war ich pünktlich um 6 Uhr wach…
Freitag, 8. November 2019. Ich komme zurück in die Stadt, die mich Anfang des Jahres einen entscheidenden Monat meines Lebens begleitet und geprägt hat: Tel Aviv. Bereits jetzt schon zu viel Pathetik. Back to normally. Denn die erste Herausforderung der Reise ist, Klamotten, technische Gerätschaften und Literatur für neun Tage Aufenthalt in 56 x 45 x 25 cm zu verfrachten, zumal das Kameraequipment allein 1⁄3 des Köfferchens ausmacht.
Ich habe dankbarerweise das Privileg, die Welt bereisen zu können und regelmäßige Kurztrips in europäische Städte anzutreten. Europa, weil es des ökologischen Fußabdrucks – oder zumindest des eigenen Gewissens – zuträglicher ist, als für ein paar Tage quer durch die Welt zu reisen. Und ich liebe es.