Die Zeit zwischen Neujahr und dem ersten Arbeitstag ist auch immer eine Zeit des Sammelns frischer KrĂ€fte nach den anstrengenden Feiertagen. Dieses Jahr fiel diese Zeit dank ĂŒberschĂŒssiger Urlaubstage glĂŒcklicherweise recht lang aus, so dass ich kurzerhand beschloss, ein paar Tage in Warschau zu verbringen.
Es kommt nicht von ungefÀhr, dass Israel schnell mal mit Isreal auf der Tastatur verrutscht. Zufall oder nicht?
So ganz von der Hand weisen lĂ€sst sich dies nicht, denn der Israeli ist sehr real, sehr echt. Er erscheint ruppig. In der LautstĂ€rke, in der er sich unterhĂ€lt, in der Phonetik der Sprache, die er spricht, in den ausladenden Gesten, die er macht, in der Körpersprache, in der er kommuniziert. Immer schwingt etwas latent Rabiates fĂŒr das sensible mitteleuropĂ€ische GemĂŒt mit.
Der Tag begann turbulent. War ich sonst immer so gegen 6:30 Uhr wach, riss mich um 8:00 Uhr Sirenengeheul aus dem Bett. Eine unmittelbare Bedrohung lag ĂŒber der Stadt und das Signal bedeutete, dass sich die Bevölkerung in nahegelegene Sicherheitszonen begeben soll. Oder zumindest nicht das Haus verlassen. Dies kannte ich bereits von meinem ersten Aufenthalt und nachdem nach etwa 5 Minuten die Sirene erlosch, hörte ich zwei dumpfe GerĂ€usche, Ă€hnlich dessen, wenn jemand eine AutotĂŒr zuschlĂ€gt: Entweder gab es irgendwo einen Einschlag oder der Iron Dome hatte ganze Arbeit geleistet.
Der heutige Tag stand im Zeichen des Lernens. Lernen fĂŒrs Leben in Tel Aviv. Ich habe mich belesen ĂŒber Neuigkeiten und was den Tel Avivi so bewegt. Man will ja schlieĂlich mitreden können, wenn es auf den Markt geht und der neueste Gossip ausgetauscht wird. Los geht’s.
9 Monate ist es her, dass ich das gelobte Land verlieĂ. Umso gespannter war ich, ob und was sich seitdem verĂ€ndert hat, schlieĂlich gab es mittlerweile den Eurovision Song Contest, der auch schon vor meiner Abreise im Stadtbild EinfluĂ nahm.
Augenscheinlichste VerĂ€nderung ist, dass sich nichts geĂ€ndert hat. Wieso auch, was soll sich in einem dreiviertel Jahr auch tun â erst recht im âKomm ich heut nicht, komm ich morgenâ-Tel Aviv. So sieht der Rohbau neben meinem Haus noch genauso aus, wie ich ihn verlieĂ. Die gefĂŒrchtete Baugrube, die irgendwann den Meerblick meiner Terrasse versperrt, ist immer noch genauso tief. Selbst die âBusiness Punkâ, die ich im MĂ€rz hinterlieĂ, liegt noch im gleichen Zeitschriftenstapel zwischen der damals schon vorhandenen â11 Freundeâ und diversen israelischen KlatschblĂ€ttern. Und auch meine innere Uhr Ă€nderte sich nicht â denn wie beim ersten Mal war ich pĂŒnktlich um 6 Uhr wachâŠ
Freitag, 8. November 2019. Ich komme zurĂŒck in die Stadt, die mich Anfang des Jahres einen entscheidenden Monat meines Lebens begleitet und geprĂ€gt hat: Tel Aviv. Bereits jetzt schon zu viel Pathetik. Back to normally. Denn die erste Herausforderung der Reise ist, Klamotten, technische GerĂ€tschaften und Literatur fĂŒr neun Tage Aufenthalt in 56 x 45 x 25 cm zu verfrachten, zumal das Kameraequipment allein 1â3 des Köfferchens ausmacht.
Ich habe dankbarerweise das Privileg, die Welt bereisen zu können und regelmĂ€Ăige Kurztrips in europĂ€ische StĂ€dte anzutreten. Europa, weil es des ökologischen FuĂabdrucks â oder zumindest des eigenen Gewissens â zutrĂ€glicher ist, als fĂŒr ein paar Tage quer durch die Welt zu reisen. Und ich liebe es.