„Ben Gurion is the most safe airport in the world“
Den letzten Abend in Tel Aviv verbrachte ich in einem Hostel, da Todd neue Gäste empfing. Sapir Hostel, gleich nebenan und noch näher am Strand. Es war günstig, der Außenbereich liebevoll zusammengeschustert, doch das Zimmer glich eher einer kleinen Knastzelle und wollte mir offenbar schon mal einen kleinen Vorgeschmack geben zu dem, was kommen mag.
Nachdem ich den obligatorischen Strandspaziergang am Morgen hinter mich gebracht habe, ward es langsam Mittagszeit und ich musste mich auf den Weg gen Flughafen machen. Doch nicht, um Neli vorher Lebwohl zu sagen. Da Shabbat war (und die Kzizeria demnach geschlossen ist) kam sie mit ihrem Freund extra noch einmal in die Stadt gefahren und brachte mir ein paar Sachen mit, die ich unbedingt mit nach Deutschland nehmen müsse. Wir sprachen vorher über Weine, Gewürze oder Kräuter, die man den lieben Verwandten und Freunden so mitbringen kann. Und diese brachte sie auch mit. Jedoch nicht in handelsüblichen Mengen und kleinen Döschen. Nein, sie brachte drei Bottiche Gewürze, vier Tüten Kräuter, eine Flasche Wein und eine riesengroße Schachtel Datteln mit. Und dazu ein Plüschkamel und eine Glocke! „Just take it.“ und ich took alles in meine ohnehin schon proppere Tasche.
Sichtlich ergriffen verabschiedeten wir uns, ich stieg in ein Taxi und sie zog ebenfalls wieder von dannen. Bye Neli. Nice to meet you!
Alon fuhr mich schnurstracks zum Flughafen. Auf der ziemlich genau 19-minütigen Fahrt erfuhr ich, dass Falschparken 500 NIS (ca. 120 Euro) kostet, die israelischen Frauen im Gegensatz zu den russischen schwer rumzubekommen sind, er vorher den CEO einer mittlerweile pleite gegangenen Pharmafirma herumkutschierte, die beste Reisezeit Ende August ist und er sich bereits auf den ESC freut, der ihm ein Bombengeschäft beschert.
„Ben Gurion is the most safe airport in the world“
Sprach Alon und er sollte recht behalten. Denn am Flughafen angekommen begann die Odyssee. Handgezählt neun Mal musste ich meinen Pass zeigen oder wurde kontrolliert. Mal mehr, mal weniger ausführlich. Und der israelische Geheimdienst dürfte mittlerweile alles von mir wissen. Doch der Reihe nach.
1. Kontrolle die Einfahrt von der Autobahn aufs Flughafengelände. Mautstellenmäßig waren kleine Häuschen aufgebaut und mit einem kurzem Shalom wurde gecheckt, ob der Fahrer einen hebräischen oder arabischen Akzent hat. So jedenfalls Alons Aussage. Er schien wunderbar hebräisch zu sprechen, daher konnten wir schnell passieren.
2. Kontrolle: Bevor ich mein Gepäck aufgeben konnte, musste ich zur ersten Befragung. Wie war der Trip, wo bin ich gewesen, wie lang war ich da. Die Laune war noch gut und den Fragen der jungen Beamtin wurde entsprechend eloquent geantwortet. „You can pass“ und nach einer Minute war ich schon durch. Das war ja leicht, sagte ich mir. Denn auf der Einreise hatte ich auch nur eine kurze Befragung erdulden müssen.
3. Kontrolle am Check-In-Schalter: Die obligatorischen Fragen, daher nicht der Rede wert. Die Waage zeigte 29 Kilogramm Reisegepäck an. Hossa! Auf der Hinreise waren es nur 23 Kilo. Da hatte ich aber auch noch nicht die Tasche voller Devotionalien. Heavyweight-Aufkleber drangepappt und ein „I wish you a good flight“ später, konnte ich zur nächsten Kontrolle.
4. Die Eingangskontrolle, um überhaupt den Sicherheitsbereich betreten zu dürfen. Aus EU-Ländern kennt man, dass ein gelangweilter Mensch an einem elektronischen Schalter steht, dort seine Bordkarte auflegt und die Schranke durchläuft. Nicht in Israel. Eine Person inspiziert Pass und Bordkarte genau und erst dann darf man weitergehen.
Zur 5. Passkontrolle vor dem Sicherheitsbereich. Auch das ging mit einem Scan relativ schnell, ich durfte mein Einreisekärtchen abgeben und bekam ein identisch aussehendes Ausreisekärtchen.
6. Der Sicherheitsbereich. Wenn man vier Wochen unterwegs ist und von dort in einem eher medienlastigen Beruf arbeitet, ist es nicht ungewöhnlich, viel Technik im Handgepäck dabei zu haben. So auch ich: Laptop, diverse Ladekabel, Powerbank, Kamera samt drei Objektiven, Kartenlesegerät, Gorillapod, Kopfhörer, Apple TV sowie diverse Adapter. Dies zog die ersten Blicke auf mich – schließlich brauchte ich fünf Wannen, um das alles fein säuberlich aufzulisten. Denn alles musste separiert werden. Von Gürtel, Kleingeld, Telefonen und Jacken mal abgesehen. Natürlich war die Tasche aus Kuhfell ebenfalls Objekt der Begierde, doch immer noch gut gelaunt und entspannt antwortete ich, ob das Fell echt ist, wo man sowas kaufen kann und machte mein obligatorisches Witzchen, damit besser nicht nach Indien zu reisen. Überfordert von so viel Technik streikte irgendwann der Sprengstofftest, alles musste noch einmal einzeln durchleuchtet werden und auch ich musste zwei Mal die Sicherheitsschleuse durchlaufen. Geschenkt. Doch dann kam…
7. Die Einzelbefragung. Kommen Sie bitte mal nach nebenan. Ich ahnte bereits eine detailliertere Befragung, erst recht, als ich gefragt wurde, wann mein Flug geht. „Ach, erst in 3 Stunden“ nahm Beamter 1 zum Anlass, sich ausführlich mit mir zu beschäftigen. Wie lang ich da war, wo ich wohnte, ob ich jemanden kennengelernt habe, ob ich nur in Tel Aviv war, was ich arbeite, was ich von Tel Aviv aus arbeitete, wie meine Berufsbezeichnung ist usw. Ein reines Gewissen habend antwortete ich willfährig und geduldig. Irgendwann mussten alle meine Gerätschaften einem ausführlichen Test unterzogen werden, die Kamera und der Laptop verschwanden in einer blickdichten Kabine und ich durfte erstmal in einem weiteren Sicherheitsbereich des Sicherheitsbereichs Platz nehmen und mich meiner Schuhe entledigen. Oha! Nun fing das Spiel erst an.
Denn dummerweise sind diese Schuhe ziemlich ausgetreten und haben an der Sohle kleine Löcher. Offenbar ein großer Faux-Pas, denn eine Mitreisende sagte mir später, dass sie sie auch kontrollierten, weil sie einen Riss in der Jacke hatte, der genäht werden musste. Es könne sich ja etwas versteckt haben. Betriebsame Hektik auf einmal. Zwei weitere Beamte kamen hinzu und begutachteten die Schuhe, während ich damit abgelenkt wurde, in einen Ganzkörperscanner zu gehen. Dieses Spiel zog sich etwa 15 Minuten und ich durfte unbeschuht wieder im vorderen Bereich Platz nehmen. Weitere 25 Minuten später – die Schuhe waren neben Laptop und Kamera immer noch zur Inspektion, trat ein souverän dreinblickender Beamter mit Knopf im Ohr auf mich zu und stellte mir die selben Fragen, die ich bereits drei Mal beantwortet habe. Auf meine Bemerkung, ob etwas mit meinen Schuhen nicht stimme, ging er gar nicht erst ein und verschwand telefonierend, um 5 Minuten später mit zwei weiteren Kollegen wiederzukommen. In der Zwischenzeit gesellte sich der erste Beamte wieder zu mir und hat in der Zwischenzeit offenbar herausgefunden, dass ich normalerweise nicht alleine zurückreisen würde – denn ich hatte auf meinem Telefon zwei Boardingpässe. Wie der Name ist, warum sie nicht mitkommt, was sie arbeitet und allmählich begann auch ich, etwas schmallippig und übellaunig zu werden.
Nach etwa 2 Stunden waren offenbar alle Unklarheiten beseitigt, alles hinlänglich untersucht und mir wurde nahegelegt, das Handgepäck als normales Gepäck aufzugeben. Natürlich nicht, entgegnete ich, schließlich sind da drin all meine Wertsachen. Nahegelegt heißt in Beamtensprech jedoch nicht fakultativ, sondern zwingend. Kurze Verwirrung kam auf, als ich sagte, dass mein Boardingpass nur auf dem Telefon verfügbar ist und so zog ein weiterer Beamter mit meinem Telefon von dannen und besorgte mir einen ausgedruckten Zutritt zum Flugzeug. Auf mein „Do you want I lose my trousers if I don’t have a belt“ wurde lächelnd genickt; gnädigerweise durfte ich meinen Reisepass, Geld und VISA-Karte behalten, der Rest wurde in die Tasche gestopft.
Und so fand ich mich 30 Minuten vor dem Boarding die Hose permanent hochziehend ohne Handgepäck im Terminal wieder, hatte weder Telefon, noch Laptop, noch Bücher, noch sonstwelche Ablenkungen für einen knapp fünfstündigen Flug. Und das sollte fatal werden.
Frust kommt auf
Vor lauter Frust kaufte ich mir eine neue Schachtel Zigaretten, bekam jedoch kein Feuer. „We don’t sell any lighters for security reasons.“ Mit hängendem Kopf schnorrte ich eben von anderen Passagieren Feuer.
Doch dem allen nicht genug, wollte ich vor Abflug noch ein kleines Geschäft erledigen. Als ich die Toilette betrat sehe ich einen nackten Mann vor mir, der gerade dabei ist, sich zu säubern. Denn an seinen Beinen und auf dem Boden klebte Kot und Erbrochenes. Hat er eine ähnliche Prozedur durchlaufen müssen? Ich begann innerlich laut zu lachen, wer sich das hier auf diesem Flughafen alles ausgedacht hat und welche Mühe er sich gegeben haben muss, diese Situationen so minutiös für mich zu planen.
Wie dem auch sei. Kommen wir wieder zu den wichtigen Dingen. Kontrolle, auch wenn diese schnell abgehandelt sind.
8. Passkontrolle vor dem Einstieg
9. Boardingpasskontrolle im Flugzeug
Geschafft! Wow, Ben Gurion is definitely the most safe airport in the world!
Fatalitäten
Doch nun zum Fluggeschehen und was das alles mit der besagten Fatalität zu tun hat. Denn ohne audiovisuelle Ablenkungen bleibt einem nichts anderes übrig, als aus dem Fenster zu schauen und zu denken. Die Fäden weiter zu spinnen.
Es begann recht mysteriös, dass sich auf einmal jemand auf den freien Platz neben mich setzte, obwohl dieser ja normalerweise belegt gewesen wäre. Beinfreiheit passé. Während wir so über das Mittelmeer flogen, erinnerte ich mich an die Mitgaben von Neli. Kräuter, Wein, Gewürze, Datteln, ein Plüschkamel. Geht das Ganze überhaupt durch den Zoll? Ist das nicht zu viel? Was ist, wenn das gar keine Kräuter oder Gewürze sind, denn ich habe daran gar nicht gerochen? Wer ist dieser Mensch neben mir, der da eigentlich gar nicht hingehört? War die ausführliche Befragung vielleicht auch einfach eine Finte, um Zeit zu gewinnen und mein Gepäck zu durchsuchen? Was erkläre ich dem Zoll, wenn sie mich befragen? Kommt das Gepäck überhaupt mit oder wurde es schon an einem sicheren Ort eliminiert? Habe ich gelogen, als mich jemand fragte, ob ich mein Gepäck alleine gepackt habe? Wie lange müsste ich im Knast sitzen, wenn das doch keine Gewürze und Kräuter sind?
Und so vergingen die Gedanken wie im Fluge (hahaha!) und ich musste mich den Dingen stellen. Doch vorher sollte noch eine weitere Sache gemeistert werden: Von 25 Grad in Tel Aviv kam ich leicht bekleidet und ohne Gürtel in Berlin-Tegel an. Bei Regen und 6° Celsius Außentemperatur. Willkommen. Der Rest ist schnell erzählt: Koffer und Handgepäck wurden mitgeliefert, ich entfernte flugs die Luftpolsterfolie meines sicher verpackten Handgepäcks und konnte mich endlich in warme Klamotten und vor allem einen Gürtel hüllen! Passkontrolle ohne Probleme, nothing to declare. Hallo Berlin, da bin ich wieder.
Summa summarum ist alles gut gegangen und in der Nachbetrachtung lediglich eine schöne Partygeschichte. Die Beamten am Flughafen haben nur ihren Job erledigt und ich an ihrer Stelle hätte mich wahrscheinlich auch rausgezogen. Ein junger Mann, der vier Wochen im Land war, zwei Telefone dabei hat (mit einer deutschen und einer israelischen Nummer), alleine reist, obwohl noch jemand auf seiner Bordkarte steht und hinzu noch jede Menge Technik dabei hat. Wahrscheinlich war ich einfach der Prototyp dessen, den man auf der Zollfachoberschule als verdächtig markiert.
Eine wahrhafte Odyssee. wohl dem, dass Du der englischen Sprache so mächtig bist und Dich in dieser Situation, in der Du Dich befunden hast, so verständigen konntest.
Für mich ein Unding…
Und jetzt beginnt der Alltag,Du wirst sicher noch lange zehren können von den überwiegend tollen und emotinalen Erlebnissen der vergangenen vier Wochen. Die schönen Erinnerungen bleiben und das negative vom letzten Tag in der Ferne wird jetzt wirklich zu “tollen” Erzählberichten, über die man sicher lächeln und mit dem Kopf schütteln kann im Nachhinein.
Danke für den/die tollen Berichte. Sie werden uns sehr fehlen.
lg die hippe
[…] am Ben Gurion Airport. Wie lang wird die Einreise diesmal dauern? Welche Fragen werden diesmal gestellt? Nonchalant und […]