Fernweh in Pandemiezeiten

Lesedauer: etwa 3 Minuten

Wir haben es nicht leicht. Seit mehr als einem Jahr dürstet die Gesellschaft danach, endlich wieder Urlaub in El Arenal, Lloret de Mar oder Phuket zu machen, um am Strohhalm des lustvollen Urlaubssafts zu nuckeln. Geht nicht. Is nich. Reiseblogger und Influencer haben sich derweil die letzte Enklave des möglichen Fernwehs gesucht, in der noch Like-Milch und Story-Honig fließt: Dubai. Di. Ba. Du.

Doch wie vertreibt sich der Nicht-Influencer von Welt die Zeit, wenn er sich nicht Stäbchen in das rechte Nasenloch schieben lassen möchte oder (noch) keine der 3 Gs erfüllt?

Serien schauen an exotischen Schauplätzen

Mein Serienguckverhalten hat sich merklich dahingehend verschoben, das Hauptsujet nicht nach einer spannenden Story auszurichten, sondern nach möglichst interessanten Locations. Dabei greift der Plot häufig ins Klo, aber das Bedürfnis, andere Städte auf der digitalen Leinwand zu entdecken, macht das wieder wett. So quälte ich mich durch „The Fall“, bekam jedoch einen Einblick in das Leben Belfasts. „Hackerville“ war große Grütze, aber die Kulisse in Form der rumänischen Stadt Timișoara entschädigte für diese hölzerne Geschichte.

Instagram & Flickr

War Instagram sowieso schon immer ein Tummelplatz zahlreicher Globetrotter, ihr Duckface vor eine Skyline zu drappieren, nutze ich die Plattform zunehmend, um mich in Destinationen meiner Wahl zu teleportieren. Habe ich Bock auf Warschau, schau ich mir den Feed von Nowawarszawa an. Möchte ich nach Madeira, ist der Weg zu _madeira_island nicht weit. Und so habe ich mir in den letzten Monaten einen Pool interessanter Instagrammer aufgebaut, der mich schnell in die jeweilige Welt bringt.

Zudem erwische ich mich dabei, häufiger im eigenen Flickr Feed zu blättern und in Erinnerungen zu schwelgen. Das daraus bereits mehrere Fotobücher entstanden – meist als Geschenk – arbeitet das Erlebte zusätzlich auf und bringt es zurück ins Gedächtnis.

In Reiseführern blättern oder Reise-Literatur lesen

Ich lese keine Reiseführer, geschweige denn kaufe ich welche. Doch aus mir unerfindlichen Gründen besitze ich doch ein paar. Noch skurriler ist es, dass ich diese kürzlich entstaubte und sogar darin blätterte. Wahrscheinlich eine Übersprungshandlung. Anders verhält es sich bei klassischer Reiseliteratur. Ich bin kein passionierter Leser, habe aber schon immer die Reiseberichte von Thomas Roth aus Russland verschlungen, besitze nahezu jedes deutschsprachige Buch über Nordkorea und empfehle jedem, der die Fesslungskraft Tel Avivs nachvollziehen möchte, das Buch „Tel Aviv: Schatzkästchen und Nussschale, darin die ganze Welt“ von Marko Martin.

Vielleicht ist es in diesem Kontext auch nur naheliegend, dass mein Lieblingsbuch „Strahlend schöner Morgen“ vom Alltags-Leben in Los Angeles handelt.

Bahnfahren als Fernwehersatz

Es sind die kleinen mehr oder weniger spontanen innerdeutschen Trips, die sich im Grunde wie ein kleiner Urlaub anfühlen. Da mein Arbeitgeber in Düsseldorf sitzt, nutze ich den Umstand gern, auch mal eine Art Kurzurlaub vom Berliner Homeoffice zu machen und an den Rhein zu fahren, wo unter anderem gerade diese Zeilen entstehen. In Bahn, Hotel oder Café kann ich ebenso gut arbeiten und hätte hier vor Ort sogar einen Büroarbeitsplatz und echte Menschen, mit denen ich Zeit verbringen kann. Sowie einen nicht zu unterschätzenden Tapetenwechsel.

Flucht in Fantasiewelten

Ich flüchte mich in Fantasiewelten und denke bei jedem Ereignis darüber nach, wie es wäre, gerade da zu sein – zuletzt die Eishockey WM in Riga oder die soeben beendete Fußball-EM. Dabei ist es keine Seltenheit, parallel zu den Spielen den entsprechenden Wikivoyage-Artikel der Stadt zu lesen oder auf Airbnb nach potentiellen Unterkünften zu stöbern. Meist endet es dann auf den Seiten des Auswärtigen Amts, ob dieses Land mittlerweile auf der grünen Liste ist oder wie die aktuellen Reisebestimmungen ausfallen.

Und irgendwann kommt die Zeit, in der der nächste Schritt auf bahn.de oder kayak.de geht und sich kurzerhand ein Ticket gebucht wird. Ich freu’ mich drauf!

One Comment

  1. Olaf 18. Juli 2021

    Es ist auch in diesen Zeiten interessant zu lesen,was Dich bewegt mit welchen Spielen der Gedanken.
    Wieder sehr schön verfasst und zu lesen.
    Dankeschön

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