Ein Wochenende in Vilnius

Lesedauer: etwa 6 Minuten

Liebes Tagebuch,

Ich verbrachte drei Tage in Vilnius, dem letzten noch offenen Spot der Hauptstädte baltischer Länder. Das Aufstehen morgens um 5 Uhr in Berlin gestaltete den Start etwas holprig, hatte jedoch den Vorteil, früh etwas von der Stadt zu haben. Also Ankunft um 10:30 Uhr Ortszeit in der Hauptstadt Litauens.

Der Flughafen erinnerte an einen besseren Bahnhof mit wunderbarem typisch osteuropäischen Stuck – jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, zwischen Landung und dem Einstieg ins Taxi inklusive Raucher- und Pinkelpause keine 10 Minuten benötigt zu haben. Fantastisch.

Die Stadt empfing mich mit eitel Sonnenschein und angenehmen 26 Grad. Ebenso wie Vytenis, meinem Airbnb Host, der gleich zu Beginn einen Intelligenztest mit seinem neuen Bewohner machte. „Gehe durch Eingang 1-A, benutze x(key)xxxx, laufe nach links, nimm den zweiten Eingang, benutze y(key)yyyy, gehe nach ganz oben. Dort findest du einen weißen Briefkasten, wo der Schlüssel zu Wohnungstür 1 ist. Um an den Schlüssel im Briefkasten zu gelangen, schau unter der Fußmatte. Nimm den Schlüssel und sperre Wohnungstür 1 auf. Dort findest du wieder zwei Türen. Nimm die linke und benutze den anderen Schlüssel.“ Zum Glück bin ich Monkey Island-erprobt und konnte das knifflige Rätsel lösen.

Angekommen im sechsten Stockwerk empfing mich ein schnuckliges Apartment und dem Highlight: Einer Empore, die es einem erlaubte, auf das Fensterbrett zu krabbeln, um dort über die Dächer der Stadt zu schauen. Inklusive Westlage, die zu gegebener Zeit den Sonnenuntergang feilbot. Natürlich nur unter den entsprechenden Witterungsbedingungen. Und so ging es nach einem kurzen Nickerchen auch schon los ins Getümmel. Was erwartet mich in der litauischen Hauptstadt? Ich hatte keine Ahnung, kannte lediglich das vielfach abgelichtete Foto, wenn man nach Vilnius googlet. Also musste ich das auch reproduzieren.

Demnach ging es zunächst hinauf zum Gediminas-Turm, wo sich ein klasse Blick über die Stadt offenbarte. Ein guter Ausgangspunkt, um zu schauen, wo und was man entdecken sollte. Da ist die Altstadt, die die größte Ost-Europas sein soll. Da ist das moderne Viertel rund um die Konstitucijos prospektas mit seinen Hochhäusern, übrigens den höchsten des Baltikums. Da ist die Neris, die der Stadt eine ungeheure Aufenthaltsqualität gibt. Da sind die Überbleibsel russischer Architektur. Da sind die Kleinode in Form der Stadtwälder. Das alles musste erkundet werden. Doch keine Eile.

Ich begab mich in die Altstadt, trank Bier mit Zitronenscheibe und ließ es langsam angehen. Und so verging die Zeit recht schnell und ich begab mich auf den Heimweg, schließlich standen noch wichtige Termine an. Fisch in Zwiebeln, litauischer Wodka, Bier. Und ein Sonnenuntergang.

Tag 2 begann entsprechend behände, doch nicht weniger schwungvoll. Zunächst sah die Marschroute den Weg auf die andere Flussseite vor, vorbei an besagten Hochhäusern und ursprünglichen Datschas. Den ehemaligen Sportpalast hatte ich mir schon vom Gediminas-Turm auserspäht und musste selbstverständlich ebenfalls inspiziert werden.

Weiter ging es flussaufwärts in Richtung der Kirche der Heiligen Apostel Peter und Paul, hatte ich irgendwo aufgeschnappt, dass diese die schönste katholische Kirche sein soll. Und ich wurde nicht enttäuscht. Zwei parallel stattfindende Hochzeiten zeugten offenbar davon, dass die Quelle nicht ganz unrecht hatte.

Zurück ging es am anderen Ufer der Neris über den Stadtwald hinauf zum Hügel der Drei Kreuze mit einem weiteren Blick über Vilnius. Und die Altstadt? Ja doch. Die kam im Anschluss dran. Vorbei an Mittelaltermärkten auf dem Rathausplatz – übrigens einer der ältesten Plätze der Stadt – hindurch verwinkelter Gassen, dem Präsidentenpalast, dem angrenzenden Universitätsgelände und dererlei weiteren Plätzen dämmerte es langsam und ich beschloss, abermals fünf Euro für das Besteigen des Gediminas-Turms auszugeben, um den Tag mit einem Sonnenuntergang über der Stadt ausklingen zu lassen.

Dass der Supermarkt seit 2018 nach 20:00 Uhr kein Alkohol mehr verkauft, wird an dieser Stelle geflissentlich ignoriert und so endete der Abend mit Wasser und Musik gedankenverloren auf der Empore.

14:00 Uhr Checkout-Zeit ist des Reisenden großes Glück. Also schlief ich am dritten Tag ordentlich aus, genoss den überaus reichhaltigen und wohlschmeckenden Heidelbeer-Joghurt-Drink (unbedingte Kaufempfehlung!), packte meine Sachen und schlenderte mit Sack und Pack durch das mittlerweile bekannte Terrain der Stadt. Was mich schließlich – wie der Mensch halt so tickt – wieder ans Wasser führte, wo ich neben der entlangfließenden Neris auch vielen Menschen beim Sport machen zuschaute, einer meiner liebsten Beschäftigungen. Denn es war Velomarathon und die Straßen waren für die Radler abgesperrt.

Ein paar wohlschmeckende Bier später, bugsierte mich Uber zurück an den Flughafen, wo sich der Kreis nun schließen sollte.

Vilnius, du bist auf den ersten Blick nicht so schön wie deine Schwestern Riga und Tallinn, aber ich behalte dich in guter Erinnerung und vielleicht sieht man sich bald mal wieder. Und sei es als Ausgangspunkt auf der Reise nach Minsk, welches nur 1 1/2 Zugstunden entfernt ist. Dėkoti Vilnius! ❤️

3 Comments

  1. Olaf 21. August 2018

    Welch herrlich niedergeschriebenen Eindrücke, verbunden mit einer wunderbaren Poesie.
    Die Bilder zeigen dazu das Optische.

  2. conny 21. August 2018

    Eigenartigerweise sind die Fotos diesmal für mich nicht so das entscheidende.. Sie sind sehr toll, wie immer!
    Das Foto auf den Fluß geschossen, vor den Kreuzen, gefällt mir am besten, nebenher geschrieben.

    Viel mehr hat mich Dein geschriebener Reisebericht berührt.. sehr sehr schön geschrieben.

    lg die hippe

  3. […] Die Kirchenbänke waren festlich geschmückt, eine Hochzeit stand an. Dies habe ich bereits in Vilnius erlebt und wollte nun der nächsten Vermählung […]

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