+++ Breaking News +++
Der heutige Tag stand im Zeichen des Lernens. Lernen fürs Leben in Tel Aviv. Ich habe mich belesen über Neuigkeiten und was den Tel Avivi so bewegt. Man will ja schließlich mitreden können, wenn es auf den Markt geht und der neueste Gossip ausgetauscht wird. Los geht’s.
Gemäß der App Waze ist Tel Aviv die viertmeistverkehrsverstopfte Stadt der Welt. Um sich einen Kilometer per Auto fortzubewegen, benötigt man im Schnitt 2 Minuten und 38 Sekunden, das entspricht einer Geschwindigkeit von ca. 25 km/h. Zum Vergleich: Der Weltrekord im 1000-Meter-Lauf liegt bei 2:12 Minuten, ein guter Marathonläufer braucht hierfür etwa 3 1/2 Minuten, ein Fußgänger eine knappe viertel Stunde. Einzig Manila, Bogota und Jakarta sind frequentierter. Auch wenn ich die anderen Städte nicht kenne, kann ich diesen Eindruck nur bestätigen. Der Tel Avivi ist nicht nur gut darin, sich lautstark im Verkehrgetümmel Gehör zu verschaffen. Er schafft es auch, sein Gefährt so auf der Kreuzung zu platzieren, dass nachfolgende Fahrzeuge auf seine Gunst angewiesen sind, sich selbst weiter fortbewegen zu dürfen. Und sei es auf einen Plausch oder weil er gerade etwas im Handschuhfach sucht oder weil er einfach auf seinen Vordermann wartet, der gerade plaudert, etwas im Handschuhfach sucht oder er auf seinen Vordermann wartet, der wiederum…
Der Stau zeigt eine Verdichtung der Lebensverhältnisse an, die an Freiheitsberaubung grenzt. Wer sich dieser Käfighaltung entziehen kann, lebt luxuriös…
Hans-Magnus Enzensberger
Zudem spielen Verkehrzeichen, Zebrastreifen oder Lichtzeichenanlagen keine Rolle – es gilt das Gesetz der lauteren Hupe oder des korrekt platzierten Fluchs aus dem Fenster. Der Vorteil daran: Man verpasst es nicht, wenn die Ampel auf Grün umschaltet – denn man kann sich sicher sein, dass es spätestens eine Sekunde später hinter einem hupt.
Hinzu kommt das System der Einbahnstraßen. Aus irgendeinem Grund haben sich die Verkehrsplaner einfallen lassen, gefühlt jede Straße einspurig fahrbar zu gestalten. Das macht es für mich als Fußgänger einfacher, denn man muss sich nur auf eine Straßenseite konzentrieren. Ob das jedoch einem besseren Verkehrsfluss zuträglich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wie dem auch sei.
Denn eine viel wichtigere Information war, dass die gestern erwähnte Baugrube nicht aus Geldmangel, Faulheit oder Streik nicht weiter gefüllt wird, sondern das Areal als offenbar eines der teuersten und wertvollsten Grundstücke Tel Avivs für 250 Millionen Shekel (also etwa 65 Millionen Euro) verkauft wurde, um dort zwei 15-stöckige Gebäude hochzuzimmern. Vorbei ist’s dann mit dem Meerblick und auch mit dem Sapir Hostel.
Was noch?
+++ ALBA Berlin verliert gegen Maccabi Tel Aviv in der Euroleague +++ Tel Aviv wird in den nächsten 10 Jahren überflutet werden, wenn sich am Klimawandel nichts ändert +++ Die bereits jetzt schon exorbitant hohen Mieten haben sich binnen eines Jahres um 8,5% erhöht +++ Und einer meiner Lieblingsfotografen auf Instagram – Dayan – hat einen Artikel spendiert bekommen
Eine News hatte ich noch, die ich jedoch mit auf den Markt nahm. Denn heute war nicht nur der Tag des Lernens, sondern auch des Wiedersehens. Der Carmel Market hatte seine Pforten geöffnet und ich wollte den alten Bekannten eine Stippvisite, äh, abstatten. Nachdem die Kzizeria noch geschlossen war, ging ich zu Micki, dem Barista – und wurde mit einen lauten „Shalooooooom Markus. How are you? Why didn’t you text me that you’re coming?“ herzlich begrüßt.
Bei einem türkischen Kaffee tauschten wir Neuigkeiten aus. Ein Freund von ihm war ebenfalls anwesend und sofort Teil unserer Konversation. Während Micki weitere Gäste mit Kaffee beköstigte, sprach ich mit – ich habe nicht nach seinem Namen gefragt, daher nenne ich ihn einfach mal – Aaron über unsere Jobs (er ist Projektmanager für Spielplatzgestaltungen), das Leben in Tel Aviv, die Winter in Berlin und – eigentlich ein großer Fauxpas im Ausland: über Religion und Politik. Doch wir lagen mit unseren weltlichen und linksgerichteten Ansichten ziemlich auf einer Wellenlänge und so konnte ich auch meine bereits in Deutschland erfahrene News anbringen: Es werden bis Ende des Jahres trotz enormer religiöser Widerstände Busse an Sabbat fahren! Was wir beide sehr begrüßten.
Genug der News
Einen zweiten Kaffee später knurrte mein Magen und ich verließ Micki und Aaron; nicht ohne zu sagen, dass er die Kaffeemaschine für die nächsten Tage schon mal gut ölen soll. Mein erster Weg führte durch das jemenitische Viertel auf der Suche nach dem „Son of the Syrian“, dem wohl besten Hummus der Stadt, in dem ich damals schon mit Danny zu Mittag speiste. Eine Cola, eine nicht schaffbare Portion Hummus mit Zwiebeln, Paprika und Pita für 26 Shekel (ca. 6,50 Euro) – da kann man nicht meckern.
Mit vollem Bauch schleppte ich mich zu meiner eigentlichen Aufgabe des Tages: Das Reaktivieren der israelischen SIM-Karte; schließlich möchte ich auch hier mobil sein, solang es O2 nicht schafft, Israel von der Gruppe Weltzone 4 („Restliche Welt“ zu 6MB/Tag oder 50MB/Tag für 4,99€) in die Weltzone 1 zu verfrachten. Für etwa 10 Euro habe ich nun 3GB Datenvolumen und bin unabhängig von WiFis.
Also schlurfte ich zufrieden nach Hause, um noch ein wenig zu lesen und gegen 15:30 aufzubrechen, um den Sonnenuntergang am Strand zu sehen. Und ich muss mich abermals korrigieren. War gestern die persönliche Komfortzone auf der Promenade auf ein Minimum gesunken, waren heute bedeutend weniger Menschen unterwegs. Wahrscheinlich war es doch dem Sabbat geschuldet und es waren weniger Touristen in der Stadt als angenommen.
Zum Sitzen auf den obligatorischen Steinen an der Tel Aviv Marina wollte ich mir ein Bier genehmigen, welches sich in einer eh schon teuren Stadt als das wohl teuerste Dosenbier der Welt herausstellte. Doch ich Sparfuchs griff nicht zur Dose zu 23 Shekel, sondern zu der für 17 Shekel. Und so trank ich das Dosenbier für umgerechnet 4,50€ maß- und genussvoll und ging zurück gen Heimat. Doch nicht, ohne einen Zwischenstopp bei dem letzten Bekannten im Bunde – Eran, dem Zigaretten- und Bierdealer – zu machen. Wie damals schon in sich gekehrt und nicht aufblickend verlangte er seine 45 Shekel und verabschiedete sich mit einem sachlichen „Vay, toda“.
Eine letzte Episode des Tages des Lernens habe ich jedoch noch: 37 Jahre musste ich alt werden, um herauszufinden, warum diese Aluminiumdeckel auf den Dosenbieren draufpappen. Logisch: Um die Trinkmulde vor dem Staub zu schützen. Endich ergibt alles einen Sinn und ich habe keine Fragen mehr. Morgen ist ein neuer Tag.
Einfach nur wieder schön! Danke für die neuesten News.
Auf die nächsten Tage mit den interessanten Berichten aus der Ferne. Wir freuen uns drauf.
lg die hippe