Auf Tuchfühlung mit Einheimischen

Lesedauer: etwa 4 Minuten

Tag 2 in meiner neuen temporären Heimat. Der Jetlag von einer Stunde Zeitunterschied macht mir außerordentlich zu schaffen und so bin ich bereits um 8 Uhr Ortszeit wach. Das linke Auge leicht geöffnet, erspähe ich Sonnenschein über dem Meer. Ich stehe auf, ziehe die Vorhänge leicht zur Seite – und siehe da: Das Meer strahlt mich genauso blau an, wie der wolkenlose Himmel. Davor weiße Häuser und endlich verstehe ich, warum die israelische Flagge weiß-blau ist.

Also raus aus den Federn und den weißen Alabasterkörper in die Sonne legen. Vorher muss noch eine knifflige Entscheidung getroffen werden: Begebe ich mich auf Couch 1, Couch 2, Stuhl am Tisch, Liegestuhl oder Hängekorb? Und welcher Ausblick darf’s sein? Der auf die Skyline, auf den Carmel Market oder doch Meerblick?

Auf Tuchfühlung mit den Einheimischen

Der Blick in den Kühlschrank verriet: Wenn du dir nicht bald etwas zu essen besorgst, wirst du jämmerlich verhungern. Also machte ich mich auf, um mittels vorherigem Gang zum Geldautomaten die nötigen Zutaten für ein Überleben zu sichern. Es kam etwas anders.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl begegnete ich Todd, der gerade auf dem Weg war, mit seinem Hund Gassi zu gehen. „Come on, let’s take a walk together and I’ll show you some good guys on the market.“ Todd, ein Kalifornier mit jüdisch-italienischen Wurzeln, der seit 22 Jahren in Tel Aviv lebt, ist entsprechend weltgewandt unterwegs und so befanden wir uns gemeinsam mit Bruno auf einmal im Getümmel des nahe gelegenen Carmel Markets.

„This is Markus. He’s from Berlin.“

Zunächst wurde ich mit dem Getränkehändler Eran bekannt gemacht, der nett zu mir sein und einen guten Preis machen soll, schließlich bin ich noch vier Wochen hier und brauche viel Bier. Aus Gründen. Tamar von gegenüber solle ich fragen, wenn ich Kosmetikartikel benötige – allerdings nur auf hebräisch, denn sie spricht kein Englisch. Weiter ging die kulinarische Reise zum Kebabverkäufer mit der sympathischen Hipsterfrisur, dessen Ware ich unbedingt probieren müsse. Perlhühner am Spieß, eingelegt in Currymarinade und selbstgebackene Pita eines nahe gelegenen Bäckers. Selten so einen leckeren Shawarma gegessen.

„If your girlfriend comes to Tel Aviv, buy her some flowers from this shop“

Nächster Halt war Mikis kleiner Kaffeeladen, wo wir davor June trafen – eine kleine Omi aus der Nachbarschaft – die von meiner Wohnung schwärmte. Miki lud uns ein auf einen Kaffee, natürlich Israelian Style. Für den Laien von der Zubereitung nicht unterscheidbar von seinem türkischen Pendant, jedoch bedeutend schmackhafter. Unter dem Einfluss von Kaffee mit Kardamon-Pulver, Ingwer und allerlei anderen Gewürzen wurde philosophiert über die jiddische Sprache („Mischpoke“, „Tacheles“, „Schlamassel“), die fehlenden Wolkenkratzer Berlins und entkoffeinierten Kaffee. Und ich lernte meine ersten hebräischen Worte außerhalb von „Shalom“ kennen.

„Lass uns nicht dorthin gehen, das ist eine gute Freundin, von der wir nicht wieder loskommen.“ Todd ist offenbar ein sehr willensstarker Mann und so standen wir eine Minute später vor Neli, die Ketzitzot – israelische Frikadellen – und Shakshuka verkaufte. Selbstverständlich musste ich das auch probieren und hatte auf einmal zwei Schälchen Fleischbällchen vor meiner Nase. „Bezahlen muss du nicht, wir verrechnen das beim nächsten Mal.“ Pfiffig sind sie, die Tel Aviver.

„Hier gibt’s den besten Fisch, dort den besten Käse. In den Laden gehst du, wenn du Hummus essen möchtest. Hier musst du freitags hin, da singt der Wirt den ganzen Abend. Kauf hier kein Baklava, das beste gibt’s die Straße runter, links halten und die erste Straße wieder rechts an der Ecke. Wenn du Brot haben willst, geh an diesen Stand. Hey, das ist Markus. Er ist von Berlin und vier Wochen hier. Seid nett zu ihm.“

Und so hatte ich nach einer Stunde die ganze Nachbarschaft kennengelernt (und sie mich) und rollte mit vollem Magen nach Hause. Geld habe ich immer noch keines. Lebensmittel auch noch nicht. Denn zwischenzeitlich war der russische Handwerker Danny in der Wohnung und brachte ein Regal für meine neue Waschmaschine an. Tel Aviv in a nutshell.

Handwerker

Auf der Agenda also für die nächsten Wochen: Morgens mit Miki beim Kaffee plaudern, das Obst bei Elena kaufen, Shakshuka bei Neli essen und mich ansonsten von Naels Shawarma zu ernähren. Und wenn etwas kaputt geht, melde ich mich einfach bei Danny und wähne mich weiterhin im Plot des Klassikers „Strahlend schöner Morgen“.

Sonnenuntergang über Tel Aviv

7 Comments

  1. conny 13. Februar 2019

    Teil 2 der wunderbaren Odyssee, wunderschön, wie immer! Und man muss sich um Dich keinerlei Gedanken machen, dass Du vom Fleische fällst bei den heutigen Begegnungen samt “Reiseführer”. Ich kann mir vorstellen, dass der auch eine heiße Wohn-Quelle auftun kann *zwinker*
    Freu mich auf morgen bzw. die nächste Berichterstattung.

    lg die hippe

  2. […] Platz an der Sonne gegen einen Besuch auf dem Markt. Shakshuka, heute bist du fällig! Durch Todds gestriger präziser Navigation durch die Gassen ging ich schnurstracks zu Neli, der Shak(shuka)warenverkäuferin. Während die […]

  3. […] Anteil beigetragen zu haben, indem er mich gleich zu anfangs seinen Homies auf dem Carmel Market bekannt machte. Doch einen großen Teil machten auch die Menschen aus, die mir vorgestellt wurden. Sie sind […]

  4. […] die mir das Eintauchen in die Stadt so wunderbar erleichterten. Allen voran Todd, der mich gleich am ersten Tag auf eine Reise durch seine Welt nahm und mit all diesen Menschen bekannt machte. Diese Menschen […]

  5. […] mache? Wie lang ich bleibe? Wen ich treffen werde? Und: Ob ich jemanden treffen werde, den ich im Februar schon mal getroffen habe? Hoppla! Das System ist gut und weiß […]

  6. […] mache ich mir einen Kaffee mit der mir angelernten Brühtechnik. Dazu drei Spiegeleier, die im Angesicht der vorbeiziehenden Sonne verzehrt werden, starte ich […]

  7. […] sondern auch des Wiedersehens. Der Carmel Market hatte seine Pforten geöffnet und ich wollte den alten Bekannten eine Stippvisite, äh, abstatten. Nachdem die Kzizeria noch geschlossen war, ging ich zu Micki, dem […]

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